Tab Mix Plus ist zurück

Tab Mix Plus ist zurück

Tab Mix Plus für den Firefox-Webbrowser war die beste Erweiterung, die es gab. Leider fiel sie 2017 einer Firefox-Änderung zum Opfer. Aber es gibt Hoffnung. Man muss nur einen anderen Browser installieren, verschiedene Sicherheitsfeatures ignorieren und eine Datei installieren. Und Tab Mix Plus ist wieder da. Hurra.

Ich sitze im Schlosssaal von Ullstein Castle, geflüchtet vor dem plötzlichen Tempelhofer Sturzregen. Gedanklich verarbeite ich die Erkenntnis, dass es theoretisch möglich ist, von Italien nach Berlin zu schwimmen: Über den Lago del Predil, entlang einiger Nebenflüsse in Italien, Österreich und Slowenien, weiter entlang der Drau, die bei Osijek in die Donau mündet und dann über die Donau und verschiedene Kanäle bis nach Berlin.

Mangels anderer Beschäftigungen beobachte ich das Kreiseln der Rollatoren. Die Schlossherren von Ullstein Castle haben die den direkten Zuwege von der Straße zu den Arztpraxen geschlossen. Nun gilt es einen schlecht ausgeschilderten Weg quer durch das Gebäude zu nehmen.

Die Generation „Wir-haben-die-Beatles-noch-live-gesehen“ irrt in Kreisen durch die Schlosshalle. Sie fragen sich gegenseitig, wo der Fahrstuhl zu den Ärzten ist. Dann kreiseln sie weiter. Coronabedingt ist der kleine Imbiss in der Halle nicht besetzt. Ich habe meine Freundlichkeit an den Erklärungen damit erschöpft, verzweifelt schauenden Menschen zu erläutern, dass die Schufa bereits vor Jahren auszog und keine Adresse hinterlassen hat.

DJ Hüpfburg kommt herein. In der Hand die Nummer 3 (Red Thai Curry mit Tofu) vom Asia-Snack-Wagen. Vor Freude fast hüpfend. Ich wundere mich „Hat die PiS doch noch die Präsidentschaftswahl verloren?“

Kurz weicht die Freude aus ihrem Gesicht. „Ach. Hoffnung ist die Mutter aller Dummköpfe. Ich muss weiter in Berlin bleiben. Ich hoffe nur, dass es keine Hochzeit mit Massen-Coronaausbruch gibt. Das wären wieder drei Monate keine Aufträge. Dann kann ich mich wieder in der Wohnung einschließen und meine Flaschengärten betrachten.“

Ich frage nach „Okay, keine Politik. Was freust du dich?“ Sie strahlt „Ich habe meine Faulheit überwunden: Tab Mix Plus ist wieder da!“ Ich staune „DAS Tab Mix Plus? Das legendäre, verschwundene Firefox-Plugin.“ – „Genau das.“ – „Aber ich dachte das geht gar nicht mehr mit Firefox.“ – „Geht auch nicht. Aber es gibt andere Browser.“ – Ich: „Internet Explorer!“. Ich bilde mir ein, dass ihre Mundwinkel amüsiert zucken.

„Na egal. Ich muss zu meiner Dark Academia Remote Live Rollenspiel Runde. Such nach Palemoon und dem Classic Add-ons Archiv“. Und sie verschwindet.

So versuchte ich mich mit Hilfe meines Internets, mit Versuch und Irrtum heranzutasten, wie ich und Tab Mix Plus uns wieder vereinen konnten. Es gelang.

Die Kurzversion

  1. Installiere den Browser Palemoon – eine Firefox-Variante
  2. Überprüfe die Einstellungen, indem Du about:config in die Adresszeile eingibst und den Sicherheitshinweis ignorierst.
    2a Du brauchst: xpinstall.signatures.required → false
    2b Du brauchst: browser.tabs.remote.autostart → false
    3 Öffne in Palemoon das Classic Add-Ons Archive
  3. Lade ca-archive-2.0.2.xpi herunter.
  4. Bestätige diverse weitere Warnungen
  5. Im Browser ist ein Symbol für das Classic Add-ons Archive. Sollte es nicht auftauchen, ist es auch im Menüpunkt Tools.
  6. Hier kannst du verschiedenste Add-ons installieren. Im Bereich „Tabs“ beispielsweise „Tab Mix Plus“.
  7. Ignoriere mehr Sicherheitswarnungen.

Den Browser zu wechseln, um eine Ergänzung wieder zu nutzen, ist Overkill. Es ist wie der Kauf eines neues Autos, um das alte Modell an Autoradio wieder zu hören. Aber in diesem Fall bietet es die einzige Möglichkeit.

Tab Mix Plus

Tab Mix Plus war bis 2017 ein Add-on zum Browser Firefox. Es erlaubte Einstellungen zu den einzelnen Tabs, die Firefox öffnete. Oder besser: es erlaubte Einstellungen zu wahrhaft allem, was neue Tabs und Fenster in diesem Browser anging: Das Verhalten beim Links klicken. Die Anordnung der Tabs. Die Gestaltung der Tabs. Das Verhalten bei verschiedenen Mouse- und Tastaturaktionen. Besonders schön: Tab Mix Plus konnte sich die geschlossenen Seiten merken und diese nach 20 weiteren geschlossenen Tabs wiederherstellen.

Screenshot Pale Moon mit installiertem Classic Add-ons Archive. Das Suchergebnis für Tab Mix Pluus.
Tab Mix Plus im Classic Add-ons Archive

Es ging alles. Tab Mix Plus traf die Stelle, an der eine Erweiterung den Browser fundamental verändert – ohne in die geöffneten Webseiten einzugreifen. Mit Tab Mix Plus konnte ich den Firefox häuslich einrichten. Ich übertreibe nur unwesentlich, dass Tab Mix Plus das Leben im Internet vom Leben im Hotel zum Leben zu Hause verwandelte.

Dementsprechend fühlte es sich an, als würde ich aus der virtuellen Wohnung geworfen, nachdem Tab Mix Plus 2017 verschwand. Im Internet trauern Menschen. Die Macher versprachen und versprechen Updates. Einzelne Minifeatures kamen wieder. Aber der glaziale Fortschritt macht vor allem deutlich: Es wird nie wiederkommen. Es ist nicht möglich. Denn der Firefox hat sich gewandelt.

Firefox Version 57


Am 14. November 2017 erschien Firefox 57. Der Firefox-Browser hatte bereits in den Jahren vor 2017 Probleme. Der Browser verlor Marktanteile gegenüber Google Chrome. Selbst in der Firefox-Hochburg Deutschland hatte Chrome 2016 den Firefox als beliebtesten Browser abgelöst.

Das „größte Update aller Zeiten“ sollte „die Wiedergeburt des Firefox“ einleiten. Das Update brachte entscheidende technische Änderungen, die den Browser schneller und weniger hungrig für Arbeitsspeicher machen sollten.

Und, wichtig für diese Betrachtung: Er limitierte die Schnittstellen nach Außen. Mozilla hatte die WebExtentions-Api eingeführt. Die älteren XPCOM- und XUL-Schnittstellen fielen weg. Viele Add-ons, die Dritte für den Browser programmiert hatten, funktionierten gar nicht mehr.

Es wurde schnell deutlich, dass sie nie wieder so funktionieren würden wie vorher: WebExtensions ließ den Add-ons weniger Zugriffsrechte als zuvor. Aus Sicherheitsgründen eine gute Entwicklung. Aus Gründen der Anpassbarkeit eine schlechte Entwicklung.

Ob das Update erfolgreich war? Subjektiv funktioniert der Browser immer schlechter. Die Zahl der Websites, mit denen er Fehler produziert oder gar nicht funktioniert, steigt an. Vielleicht habe ich nur die Programmabstürze verdrängt, die Firefox schon in den Jahren vor 2017 schwierig zu nutzen machten.

Ich nutze Firefox auch im Jahr 2020 als Hauptbrowser. Aber ehrlich gesagt: Mehr aus inneren Überzeugung, weil Google und Chrome böse sind.

Dieser Eindruck ist nicht nur subjektiv. Firefox hat seit 2017 keine Marktanteile zurückgewonnen, sondern weiter deutlich verloren. Ob es schlimmer geworden wäre, wenn Firefox Ende 2017 nicht den großen Bruch gewagt hätte? Schwer zu sagen. Aber einen kleinen Ausblick erlauben die verschiedenen Forks.

Die Forks

Da wäre der Waterfox. Dieser entstand 2011 als Projekt eines Schülers. Seine „Bedeutung“ erlangte er nach 2017 in Folge eben des Quantum-Projekts. Waterfox folgt weiterhin dem Firefox in vielen Belangen. Look and Feel beispielsweise bleiben ähnlich.

Screenshot der Pale-Moon-Homepage mit Downloadmöglichkeiten.
Pale-Moon-Homepage

Deshalb entschied ich mich nach einem kurzen Test für den anderen wichtigen Firefox-Fork: Pale Moon. Die zugrunde liegende Design-Philosophie beschreiben die Macher als „Dein Browser, Deine Wahl“ und werben mit besonders vielen Möglichkeiten der Anpassung. Das zeigt sich in den alten Add-ons. Nach weiteren Varianten zum Spielen werde ich suchen.

Die erste Pale-Moon-Variante wurde 2009 von M.C. Straver veröffentlicht, der bis heute der Chef, Macher und Endentscheider des Projektes ist. Die ersten Versionen waren leichte Umbauten am Firefox, mit Pale Moon 24 im Jahr 2013 begannen sich die beiden Browser von einander zu lösen. Die stabile Version hat im Juli 2020 die Versionsnummer 28.11. Der weltweite Marktanteil im Jahr 2019 betrug 0,02%

Pale Moon hat sich seit 2017 eigenständig weiter entwickelt. Was sich unter anderem daran zeigt, dass der Browser im Kern nicht mehr auf die Gecko-Engine des Firefox‘ setzt. Es hat diese eigenständig weiter entwickelt hat. In Pale Moon nennt sich die zugrunde liegende Technik Goanna-Engine .

Ein Wort der Warnung


Dennoch gibt es Gründe Pale Moon nicht zu nutzen. Das Projekt ist klein, wird von etwa einer Handvoll Menschen betrieben. Zwar kann Open-Source-Software theoretisch von jedem Menschen überprüft werden. Praktisch bedarf es dafür einer kritischen Masse an Usern, die sich für ausreichend interessiert. Ein Browser mit der Verbreitung von Firefox dürfte mehr Prüfende finden als Pale Moon.

Jegliche Erfahrung sagt, dass die handvoll Macher im Jahr 2020 für eine komplexe Software zu wenige Menschen sind, um umfangreiches Bugtesting und Sicherheitstesting zu betreiben. Allein aufgrund der Basisdaten ist es wahrscheinlich, dass Bugs über Jahre übersehen werden, die sich zu Sicherheitslücken auswachsen. Ausführlicher begründet siehe im Kuketz-Blog.

Was sich empirisch im Jahr 2019 als über mehrere Monate hinweg eingeschleuster Schadcode in Archivdateien zum Browser unentdeckt blieb. Ein Erläuterung dazu auf deutsch im Borncity-Blog.

Wer nicht lesen mag: Sowas ist eine krasse Sicherheitslücke. Aber für die meisten Nutzer ohne direkten Folgen. Wer die reguläre aktuelle Variante des Browsers installiert hatte, hatte kein Problem. Wer absichtlich alte Varianten installierte, hatte ein Problem. Aber wer installiert veraltete Dateien eines Nischenbrowsers? Kein normaler Internetsurfer.

Allerdings: Es bleibt die Hoffnung, dass die Programmierer besonders gründlich und sorgfältig sind. Angesichts der winzigen Nutzerzahl lohnt es nicht, Schadsoftware zu schreiben.

Sprich: Vielleicht solltet ihr Pale Moon nicht nutzen, um die wenig vertrauenswürdigen Abgründe des Internets vorzudringen. Und Javascript nach Möglichkeit deaktivieren. NoScript beispielsweise ist auch ein Add-on, das ich seit Firefox57 schmerzlich vermisste. NoScript lebt wieder im Pale Moon.

Aber wer sich der Gefahr bewusst ist, kann spielen und schwelgen. Deshalb hier die ausführliche Variante, um Tab Mix Plus wieder zu bekommen.

Aufsetzen, die Langversion

1) Browser installieren. Von der Website des Herstellers herunterladen https://www.palemoon.org/ und dann installieren.

2) In die Adresszeile about:config eingeben. Bestätigen, dass ihr ungefähr wisst, was ihr macht.

Screenshot. Warnung beim Aufruf von about:config.
about:config in Pale Moon inklusive Warnung

Nach zwei Parametern suchen und diese gegebenfalls anpassen:

xpinstall.signatures.required → false

browser.tabs.remote.autostart → false

Screenshot Pale Moon Browser. Die Einstellung xpinstall.signatures.required gesetzt auf False.
xpinstall.signatures.required → false in der about:config von Pale Moon

Bei mir war eines schon auf „false“ gesetzt, das andere gar nicht vorhanden. Hat aber alles funktioniert.

3) In Pale Moon zu https://github.com/JustOff/ca-archive/releases surfen das Classic Add-ons-Archive öffnen

4) Die Datei ca-archive-2.0.2.xpi herunterladen und bestätigen.

5) Laut verschiedener Screenshots soll nun das Symbol in den Task Bars des Browsers auftauchen. Bei mir war das nicht der Fall. Aber ich fand es im Tools-Menü.

Screenshot Pale Moon Browser. Das Tools-Menü mit installiertem Classic Add-ons Archive.
Tools-Menü mit „Classic Add-on Archive“

6) Dort die gewünschten Add-on suchen und installieren. Wie einst im Firefox.


Mit der Faust von hinten quer ins Auge

So viel Aufwand, weil ich ein Add-on vermisste. Es ist zu viel. Aber ich darf spielen. Und ich habe die Zahl meiner aktiv genutzten Internet-Browser damit auf sechs erhöht. Ich habe meine Extensions wieder. Und das alte Firefox-Feeling. Ich hüpfe DJ Hüpfburg hinterher. Die dreht sich um: „Die Drau hat ihre Quelle bereits in Italien. Die ganzen Umwege über den Lago kannst Du Dir beim Schwimmen sparen.“

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DJ Hüpfburg gab den entscheidenden Anstoß. Aber ohne das difyel-Blog hätte ich nie die Umsetzung geschafft: Must have old Firefox extensions , and how to install them

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